Gedenken der Gemeindebildung und -auflösung auf dem Haßlacherberg
Von Bernd Graf
Im zurückliegenden Jahr 2018 nutzte der Heimatpflege-Verein Gehülz/Seelach/Ziegelerden zwei Gedenkanlässe zur ortsgeschichtlichen Informationsvermittlung. Gemeint sind damit die 1818 abgeschlossene Gemeindebildung von Gehülz, Seelach und Ziegelerden und die 1978 erfolgte Gemeindeauflösung und Zwangseingemeindung von Gehülz und Seelach. In Bezug auf Gehülz war im Rahmen des Gedenkens besonders der Hinweis wichtig, dass ohne die Bindeglied-Funktion des 1978 eingeführten amtlichen Ortsnamens Gehülz alle 18 ehemaligen Gehülzer Gemeindeteile als mehr oder weniger zusammenhanglose Ortschaften nach Kronach gekommen wären.
Zu den beiden Gedenkanlässen – der Entstehung der Gemeinden vor 200 Jahren und ihrem Ende vor 40 Jahren – erschien im Januar 2018 in der Kronacher Lokalpresse folgender Beitrag:
Mit dem bayerischen Gemeindeedikt von 1818 fand die langwierige Bildung von Gemeinden als unterste Verwaltungseinheit ihren Abschluss. Die dabei entstandenen Kommunen mit zunächst noch stark eingeschränkten Selbstverwaltungsrechten bildeten das Grundgerüst des Gemeindewesens bis zur Gemeindegebietsreform der 1970er Jahre, die 1978 für etliche Gemeinden mit dem zwangsweisen Ende ihrer kommunalen Selbstständigkeit abschloss.
Besonders interessant gestaltet sich ein Rückblick auf die Zeit vor 200 und vor 40 Jahren am Beispiel zweier ehemaliger Kommunen: der Gemeinde Gehülz, die viele „verstreute“ Ortschaften – zuletzt 18 an der Zahl – in sich vereinte, und der Gemeinde Seelach, die aus zwei nicht zusammenhängenden Gemarkungen bestand.
Durch das Gemeindeedikt von 1818 entstand die politische Gemeinde Gehülz aus mehreren Dörfern, Weilern und Einöden, die hier in alphabetischer Reihenfolge genannt sind: Brand, Breitenloh, Ellmershaus, Entmannsdorf, Gießübel, Judengraben, Kestel, Lindleinsberg, Ober- und Unterbürg, Rauhershof, Seelabach und Zollbrunn. Diese Ortschaften, die schon früher als Realgemeinde einen Aktions- und Wirtschaftsverband unter Leitung eines eigenen Schultheißen gebildet hatten, wollten laut Gemeindebildungsakten nun nach neuem Recht als Landgemeinde vereint sein. Erster Gemeindevorsteher war der Bauersmann und frühere Bierwirt Kaspar Wich von der Bürg.
Im Laufe der Jahre und Jahrzehnte entstanden auf dem Gebiet der Gemeinde Gehülz durch Neugliederung bzw. Neubesiedlung weitere Gemeindeteile: Brunnschrot, Geiersgraben, Judenhof, Kellerhaus, Schafhof, Unterbreitenloh. Als letzter Gemeindeteil kam 1972 das bis dahin zur Gemeinde Burgstall gehörende Rotschreuth mit eigener Gemarkung hinzu, wodurch sich das Gehülzer Gemeindegebiet vergrößerte.
Am Schlusspunkt der Gemeindegebietsreform der 1970er Jahre verlor Gehülz seine kommunale Selbstständigkeit und wurde zum 1. Mai 1978 nach Kronach zwangseingemeindet. Gehülz war damals mit über 1500 Einwohnern die größte unter den Gemeinden im Landkreis Kronach, die ihre kommunale Eigenständigkeit und ihren Verwaltungssitz durch Zwangseingemeindung verloren.
Kurz zuvor – am 21. April 1978 – hatte die letzte Bürgerversammlung der noch eigenständigen Kommune beschlossen, dass der bisherige Gemeindename Gehülz als Bindeglied zwischen den „verstreuten“ Teilsiedlungen auch nach der Eingemeindung erhalten bleiben muss. Um den Willen der Gehülzer Bürgerschaft umzusetzen, wurde der Name Gehülz noch im Jahr 1978 per Regierungsverfügung als amtlicher Ortsname eingeführt. Im Gegenzug wurden die meisten bisherigen Gemeindeteilnamen – mit Ausnahme einiger im Außenbereich – als amtliche Ortsnamen abgeschafft und als Straßennamen eingeführt.
Nun zur Nachbargemeinde Seelach, die aus den beiden flächenmäßig nicht zusammenhängenden Gemarkungen Seelach und Dobersgrund bestand. Diese eigentümliche Verbindung wurde durch die 1818 abgeschlossene Gemeindereform bestätigt. Die Gemarkung Seelach umfasste die Orte Seelach, Dennach und Stressenberg, während in der Gemarkung Dobersgrund die Orte Dobersgrund, Poppenhof und Unterbreitenloh lagen. (Es gab neben dem Gehülzer Unterbreitenloh also auch ein Dobersgrunder und somit Seelacher Unterbreitenloh.)
Der heutige Betrachter fragt sich, warum man vor 200 Jahren die Dobersgrunder Flur nicht mit den angrenzenden Fluren von Gehülz bzw. Ziegelerden, sondern mit dem entfernteren Seelach verband. Nach den damaligen Vorschriften sollten die Dobersgrunder Einwohner als ehemals hochstiftisch-bambergische bzw. städtisch-kronachische Untertanen wegen der unterschiedlichen Rechtsverhältnisse nicht mit den benachbarten ritterschaftlich-redwitzischen Untertanen zusammengeführt werden.
Die Abschiedsstunde von der kommunalen Selbstständigkeit schlug der Gemeinde Seelach ebenfalls mit der Eingemeindung nach Kronach zum 1. Mai 1978. Doch eigentlich hatte Seelach die Aufgabe seiner Eigenständigkeit bereits 1971 als freiwilligen Schritt in die Wege geleitet. Als dann die Kreisstadt aber nicht auf die Seelacher Eingemeindungsforderungen eingehen wollte, beschloss der Gemeinderat 1972: „Die Eingemeindung der Gemeinde Seelach in die Stadt Kronach wird abgelehnt.“ Diese Haltung wurde bis zur Zwangseingemeindung sechs Jahre später aufrechterhalten.
Die neben Gehülz und Seelach dritte Haßlacherberg-Gemeinde Ziegelerden, die ebenfalls aus der 1818 abgeschlossenen Reform hervorgegangen war, wurde bereits zum Jahresbeginn 1972 ein Kronacher Stadtteil. Zuvor hatten die Bürger Ziegelerdens über diese Eingemeindung abgestimmt (244 dafür, 76 dagegen) und die Bürgermeister von Ziegelerden und Kronach einen Eingemeindungsvertrag unterzeichnet. Nach der Aufnahme Ziegelerdens entfiel für Kronach die Motivation, den von Seelach formulierten Eingliederungsbedingungen entgegenzukommen. Denn die Möglichkeit eines freiwilligen Zusammenschlusses der drei Haßlacherberg-Gemeinden Gehülz, Seelach und Ziegelerden, den Landrat Dr. Edgar Emmert vorgeschlagen hatte, war mit der frühzeitig vollzogenen Einstädterung Ziegelerdens vom Tisch.