Das Gehülzer Wappen
Gehülz – ein Geschichtsportrait
Bereits in der Urnenfelderzeit – im 11. vorchristlichen Jahrhundert – siedelten Menschen im Flurbereich Untere Bürg / Wolfsberg. Im 9. Jahrhundert vor Christus bestand dort ein Militärlager, dessen mächtige Abschnittsbefestigung später Heunischenburg genannt und 1986/2000 in wesentlichen Teilen rekonstruiert wurde.
Die eigentliche Ortsgeschichte mit Siedlungskontinuität begann erst rund zwei Jahrtausende später. Der Name Gehülz (Gehölz) beschreibt den ausgedehnten Wald, in dem im Laufe der Jahrhunderte Rodungsinseln geschlagen und besiedelt wurden. Ältester Ort war Entmannsdorf, das wohl schon bald nach 1000 am Verbindungsweg Kronach-Coburg entlang des Höhenkamms entstand und im Bamberger Hochstiftsurbar von 1323/28 erstmals bezeugt ist. Entmannsdorf gelangte wohl über seine Funktion als bischöfliches Burghutlehen (1348 in Händen der von der Kappel zu Haßlach) noch im 14. Jahrhundert in den Besitz der von Redwitz zu Theisenort. Als Hauptort im „Redwitzischen Gehülz“ oder – wie es in Urkunden häufig heißt – „auf dem Gehülz“ hatte Entmannsdorf wohl mindestens bis um 1500 eine befestigte „Außenstelle“ der Herrschaft Theisenort in Form einer Turmhügelburg auf der Oberen Bürg.
Als weitere bäuerliche Siedlungsschwerpunkte „uffm Geholtz“ lassen sich ab 1519 Kestel und Judengraben nachweisen. Wohl auf Brandrodung weist der nach 1600 bezeugte Ortsname Brand hin. Im Dreißigjährigen Krieg hatten die Gehülzer Orte unter den Raubzügen und Brandschatzungen der Kronacher Ausschüsser zu leiden. Beispielsweise ist überliefert, dass am 24. Juni 1632 die Ehefrau des Michael Lencker zu Entmannsdorf bei einem solchen Überfall tödliche Verletzungen in der Herzgegend erlitt.
Nach 1750 datieren die Anfänge des späteren „Straßendorfes“ Breitenloh-Unterentmannsdorf. Vor allem im Bereich Breitenloh entstanden in dieser Besiedlungsphase auf Betreiben der Herrschaft von Redwitz kleine „Tropfhäuser“ für ärmere Bevölkerungskreise, die sich größtenteils als Taglöhner durchschlagen mussten. In Nachbarschaft zu einem 1588 erbauten Herrschaftsbrunnen, der 1673 als „Saalbronnen“ bezeugt ist, entwickelte sich nach 1800 die nach ihm benannte Siedlung Zollbrunn.
Die grund- und vogteiherrschaftlichen Rechte an den Gehülzer Ortschaften waren auf die von Redwitz zu Schmölz und auf die von Redwitz zu Küps aufgeteilt, was am Beispiel der größeren Orte so aussah (Stand 1792): Die 15 Breitenloher Anwesen gehörten zum Rittergut Schmölz-Theisenort, ebenso sieben Anwesen von Entmannsdorf und vier von Brand. Dem Rittergut Küps-Theisenort waren zwei Entmannsdorfer und sechs Brander Anwesen zugeordnet.
Die politische Gemeinde Gehülz umfasste bei ihrer Entstehung (1818) 13, bei ihrer Auflösung (1978) 18 Gemeindeteile, wozu Dörfer, Weiler und Einöden zählten. Ohne Erfolg beantragten 1836 31 Hausbesitzer der Gemeindeteile Judengraben, Oberentmannsdorf, Zollbrunn, Bürg, Rauhershof und Gießübel die Bildung einer Landgemeinde namens Gehülz nur aus den im oberen und mittleren Bereich gelegenen Orten, während aus den unteren Gemeindeteilen eine eigene Landgemeinde namens Breitenloh hätte entstehen sollen. Dagegen waren nicht nur die anderen 46 Hausbesitzer, sondern auch das Landgericht, weil ein vom übrigen Gehülz abgespaltenes Breitenloh aus „nur ganz armen Leuten“ bestanden hätte.
Eine der jüngeren Gehülzer Ortschaften war Geiersgraben, das im 20. Jahrhundert zum viertgrößten Gemeindeteil heranwuchs. Der alte Weiler Rotschreuth (ab dem späten 14. Jahrhundert Teil der Herrschaft Mitwitz) kam erst 1972 von der aufgelösten Nachbargemeinde Burgstall zu Gehülz. Als weitere, bis hierher noch unerwähnte Gemeindeteile der Gemeinde Gehülz sind Brunnschrot, Ellmershaus, Judenhof, Kellerhaus, Lindleinsberg, Schafhof, Seelabach und Unterbreitenloh zu nennen.
Eine der Gehülzer Besonderheiten ist, dass der aus einem großflächigen Flurnamen entstandene Gemeindename Gehülz erst nach dem Ende der kommunalen Eigenständigkeit Ortsname wurde, wodurch alte Orts- und Gemeindeteilnamen wie Entmannsdorf, Brand, Breitenloh oder Zollbrunn zu Straßennamen „degradiert“ wurden. Im Zusammenhang mit der letzten Gemeindegebietsreform ist noch erwähnenswert, dass Gehülz mit rund 1500 Einwohnern die größte unter den Gemeinden im Landkreis war, die zum Mai 1978 kommunale Eigenständigkeit und Verwaltungssitz zwangsweise verloren.
Im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert galt Gehülz als Korbmachergemeinde. 1895 wurden in 88 Familien Palmkörbe hergestellt, als deren Rohmaterialien das so genannte spanische Rohr und das fächerartige Blatt einer auf Kuba gedeihenden Palmenart Verwendung fanden. Von den 30er bis zu den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts sicherte die Tappenmacherei – auch sie wurde vorwiegend als Hausindustrie betrieben – den Lebensunterhalt vieler Einwohner. Alle möglichen Altmaterialien wie Stoffreste und Reifengummi verarbeitete man zu den leichten und bequemen „Hausschuhen der einfachen Leute“, die teilweise von den Herstellern selber in nah und fern „verhausiert“ wurden. Als „Industriearbeitergemeinde mit hohem Auspendleranteil“ wurde Gehülz in der letzten Phase seiner Selbständigkeit charakterisiert. An den langen Kampf der Gehülzer gegen die Wassernot erinnern die zentralen Wasserversorgungshochbehälter von 1931 und 1961 auf der Brander Höhe.
Obwohl in Gehülz im 20. Jahrhundert ein katholisches und ein evangelisches Gotteshaus (St. Bonifatius 1933/34 und St. Michael 1960/61) entstanden, wird die Dorfkirchweih nach wie vor am Schmölzer Kirchweihtermin (Sonntag nach Kreuzerhöhung = Sonntag nach dem 14. September) gefeiert. Der Hintergrund ist: Vom 16. bis zum 19. Jahrhundert pfarrten die Gehülzer Christen nach Schmölz. 1961 wurde die Dreifaltigkeitskapelle von 1888 an ihren heutigen Standort in dem nach ihr benannten Kapellenweg versetzt. Das 1964/65 im Gemeindeteil Breitenloh geschaffene neue Schulgebäude blieb über die Jahrtausendwende hinweg Sitz der Volksschule Gehülz-Ziegelerden. In deren Nachbarschaft entstand 1974/75 der Kindergarten Gehülz in katholischer Trägerschaft. Als eines der Gehülzer Wahrzeichen gilt das 2004 erneuerte und im Folgejahr ökumenisch eingeweihte Leuchtkreuz am Alt-Entmannsdorfer Kreuzweg, bei dem der Wegweiser „Gehülz-Süd“ Ortsunkundige darauf hinweist, dass auch südlich der Hauptdurchfahrtsstraße (B 303 alt) wesentliche Teile von Gehülz liegen. -bg.-
► Eine Auflistung der Gemeindeteile der Gemeinde Gehülz finden Sie hier.
► Wofür der Name Gehülz stand und steht – die einzelnen Phasen im Überblick
► Aus der frühen Ortskirchengeschichte von Gehülz
► Beiträge zur Siedlungs- und Herrschaftsgeschichte finden Sie auch hier.
► Älteste Ansicht der Haßlacherbergkette aus dem späten 16. Jahrhundert
Literaturhinweis:
Der Name Gehülz – ein komplexes Kapitel der Haßlacherberg-Historie
Von den Siedlungen „Uffm Geholtz“ über die Gemeinde bis zum Ort und Stadtteil Gehülz.
Bernd Graf in: Heimatkundliches Jahrbuch des Landkreises Kronach 26 (2013), S. 148-157.
In diesem Buchbeitrag geht es unter anderem auch um:
Die Streusiedlungen „auf dem Gehülz“ um 1790 (mit historischer Karte)
Unterdrückung des Namens Gehülz und Gegenmaßnahmen
Die Rettung des Namens Gehülz bei der Eingemeindung nach Kronach