Die Heunischenburg – ein Geschichtsportrait
Die älteste wissenschaftlich untersuchte Steinbefestigungsanlage Europas nördlich der Alpen befindet sich auf einem 486 Meter hohen Bergsporn der Haßlacherbergkette im Westen Kronachs. Die Heunischenburg – so heißt das archäologische Geländedenkmal – liegt unweit der Einödanwesen Untere Bürg und Wolfsberg an bzw. auf der Gehülz-Burgstaller Gemarkungsgrenze.
Gegen Ende der spätbronzezeitlichen Urnenfelderkultur – genauer: im 9. Jahrhundert v. Chr. – befand sich hier eine stark befestigte Garnison. Sie zeugt von einem einflussreichen Kriegeradel, der sich durch kostbaren Bronzeschmuck und Prunkwaffen auszeichnete. Der Name der noch vor den historischen Kelten liegenden Urnenfelderkultur weist auf die Brandurnenbestattung hin, die damals in der einfachen Bevölkerung verbreitet war. Infolge militärischer Attacken ging das Lager am Ende des 9. vorchristlichen Jahrhunderts unter. Die Garnisonsmauer verfiel im Laufe der Jahrhunderte, ja der Jahrtausende, zu einem beeindruckenden Wall, den der Volksmund „Wo(h)la“ nannte.
Im April 1983 begannen in Trägerschaft des Landkreises Kronach gründliche archäologische Untersuchungen auf der Heunischenburg. Vor Grabungsbeginn hatte man die Wehranlage als eines der bedeutendsten oberfränkischen Bodendenkmäler eingestuft. Im Zuge der Untersuchungen, bei denen die Experten schon bald von sensationellen Erkenntnissen sprachen, nahm der Stellenwert dieses Vorgeschichtsdenkmals deutlich zu. Nach wenigen Grabungswochen war von „einer der wichtigsten Befestigungsanlagen Frankens“ die Rede. Schließlich sprach man von einem vorkeltischen Denkmal „von wahrem europäischen Rang“, was auch heute noch Gültigkeit hat.
Schon beim ersten Grabungsschnitt, den die Archäologen 1983 vornahmen, erwies sich die Anlage als dreiperiodig, wobei es sich bei Periode 3 um die mächtige Wehranlage des 9. vorchristlichen Jahrhunderts mit dreischaliger Sandsteinmauer, Berme und Pforte handelte. Bestätigt wurde die Zeitstellung durch die archäologische Datierung der zahlreichen Bronzefunde (davon etwa 70 Prozent Waffen), die man 1984/85 bei der Torgrabung zutage förderte. Bei den Funden handelte es sich um Nadeln, Ringe, Rasiermesser, Zierscheiben, getriebene Blechfragmente, Bruchstücke von Schwertern und Lanzenspitzen sowie eine Vielzahl von Pfeilspitzen. Dass in der hart umkämpften Garnison zumindest zeitweise ein extrem großer Munitionsbedarf bestand, kann man an Pfeilspitzen erkennen, die die Burgbesatzung zur Abwehr von Angreifern unentgratet – also direkt aus den Gussformen heraus – zum Einsatz brachte.
Während die mächtige, 110 Meter lange Wallmauer die gefährdete Ostflanke des einstigen Militärlagers absichern sollte, boten an den anderen Seiten die steil geböschten Hänge des Bergsporns natürlichen Schutz, der durch eine Holzumwehrung noch verstärkt wurde. Bemerkenswert ist auch, dass die Konstruktion von Zangentor und Ausfallpforte spätmykenischen Einfluss erkennen lässt, woraus man auf Kontakte zur mediterranen Zivilisation schließen kann. Zum Bau der Befestigung verwendete man etwa 500 Festmeter Holz und 2000 Kubikmeter Sandsteinblöcke. Neben dem fortifikatorischen Zweck dürfte die mächtige Schildmauer auch als Prestigebau gedient haben. Im Innenraum war die Heunischenburg dicht bebaut mit durchschnittlich 20 qm großen Häusern, was die Annahme einer nur temporären Besiedlung ausschließt.
„Die eindrucksvolle Steinmauer und die komplizierte Toranlage mit der Pforte machen die Heunischenburg zu einer der qualitätsvollsten Wehranlagen der ausgehenden Bronzezeit in Mitteleuropa“, stellte Prof. Dr. Björn-Uwe Abels von der Archäologischen Außenstelle für Oberfranken in Memmelsdorf fest. Abels zufolge heben die mächtige, aber kleinräumige Befestigung und die vielen gefundenen Waffen die Heunischenburg deutlich von den großen, befestigten Mittelpunktsiedlungen der ausgehenden Bronzezeit ab. Die späturnenfelderzeitliche Elite der Heunischenburg kontrollierte den Handel mit Kupfer und Zinn aus den Mittelgebirgen Ostoberfrankens, die in den großen zentralen Siedlungen dringend zur Bronzeherstellung benötigt wurden. Diesem Handel diente auch eine am Berghang unterhalb der Heunischenburg vorbeiführende Straße.
1986 und 2000 erfolgte nach gesicherten Befunden die Rekonstruktion eines Mauerabschnitts der letzten Befestigungsphase mit vorgelagerter Berme, der Pforte mit ihrem hölzernen Turm und der weit in den Innenraum reichenden Torgasse. Als eindrucksvolles und aufschlussreiches Dokument frühen Wehranlagenbaus lockte die Heunischenburg seither viele Besucher an. Die als Bodendenkmal ausgewiesene Gesamtfläche umfasst circa 1,5 Hektar. -bg.-
► Zur Bedeutung des Befestigungsnamens „Heunischen-“
► Veröffentlichungen zur Heunischenburg-Erforschung >>>
Die Abschnittsbefestigung der urnenfelderzeitlichen Heunischenburg nach der Rekonstruktionsergänzung
(Zeichnung: Rudolf Bozdech, 2000)
Mit der Heunischenburg verbindet sich ein Vorgeschichtskapitel von herausragender Bedeutung. Deshalb ist sie in einer Dokumentation zur Landkreisgeschichte auf einer 2002 im Landratsamt Kronach aufgestellten Schautafel nicht nur genannt, sondern auch – so wie hier – abgebildet.