Johannes der Täufer, Sommersonnenwende und Johannisfeuer
Der Tag der Geburt Johannes des Täufers (Johanni, 24. Juni) und der eng mit ihm in Verbindung stehende Tag der Sommersonnenwende (21. Juni) markieren einen mehrtägigen Zeitraum, in dem brauchtümliche Feuer den Mittelpunkt von Johannis- oder Sonnwendfeiern bilden. Auch auf dem Haßlacherberg gibt es in dieser Zeit alljährlich mehrere Johannisfeiern mit -feuern. Beispielsweise wiesen die Veranstaltungskalender 2008 von Gehülz, Ziegelerden und Seelach insgesamt sechs solche Veranstaltungen auf. In jüngster Vergangenheit verbreitete sich die Sitte, dass Kinder in der Formation eines Fackelzugs zur Feuerstätte ziehen und das aufgehäufte Brennmaterial entzünden.
Haben Sie, liebe Leserinnen und Leser dieser Zeilen, Fotos von Johannisfeuern/-feiern auf dem Haßlacherberg? Gerne veröffentlichen wir auf dieser Webseite Ihre schönsten Bilder von solchen Anlässen in den Stadtteilen Gehülz, Ziegelerden und Seelach. Doch zunächst fragen wir nach den Hintergründen dieses Brauchtums und nach der Rolle Johannes des Täufers.
Johannes über Jesus: „Das ist Gottes Lamm“
Johannisfeuer sind die christianisierte Form der Sonnwendfeuer, könnte man vereinfacht sagen. Die Freude über den Sommer und der Sieg von Licht und Leben über Dunkelheit und Tod wurden zum Gedenken an Johannes christlich überformt. Das hängt wohl zusammen mit der besonderen heilsgeschichtlichen Bedeutung von Johannes dem Täufer, der Jesus Christus als den Erlöser offenbar machte. Johannes, dessen hebräischer Name „Gott ist gnädig“ bedeutet, steht als prophetischer Bußprediger zwischen dem Alten und dem Neuen Bund. Er taufte Jesus und stellte ihn vor als „Gottes Lamm, welches der Welt Sünde trägt“ (Johannes-Evangelium, Kapitel 1 Vers 29).
Um Johanni beginnen die Tage, immer kürzer zu werden, bis sie in zeitlicher Nähe zum Geburtsfest Christi (25. Dezember) wieder anfangen, länger und länger zu werden. Dieser Wechsel zwischen zunehmendem und abnehmendem Sonnenlicht gilt als Symbol für die Aussage Johannes des Täufers: „Er [Christus] muss wachsen, ich aber muss abnehmen“ (Jo-
hannes-Evangelium, Kapitel 3 Vers 30). Dass zwischen beiden Geburtstagen sechs Monate liegen, entspricht einer Vorgabe im Lukas-Evangelium (Kapitel 1 Vers 36). Demnach war Elisabeth, die Mutter des Johannes und Base der Gottesmutter Maria, im sechsten Monat schwanger, als Maria sie nach der Empfängnis Jesu besuchte.
Johannes betonte, dass Christus „mit dem heiligen Geist und mit Feuer taufen“ werde (Matthäus-Evangelium, Kapitel 3 Vers 11). Insofern gelten die Johannisfeuer als Hoffnungszeichen für den Sieg des mit Christus in die Welt gekommenen Lichtes über alle Dunkelheit und Finsternis. So wie Johannes Jesus Christus in den Mittelpunkt rückte, so verweisen auch die zur „Sommerweihnacht“ entzündeten Johannisfeuer auf Christus als das erhellende Feuer im Leben eines Menschen.
Faszination des Gipfels und Wissen um Abstieg
Zur Verbindung zwischen Johanni und Sommersonnenwende lieferte die Klosterkirche Lippoldsberg (http://www.klosterkirche.de/) folgende bedenkenswerte Interpretation: „Mit der Gestalt des Johannes lässt sich das große Himmelsgeschehen der Sommersonnenwende auf uns Menschen hin deuten. Wir alle wachsen und müssen wieder vergehen. Wenn wir – wie Johannes – einstimmen in dieses Naturgesetz und uns nicht dagegen stemmen und auflehnen, dann kann Gott in uns Raum gewinnen, wird Christus in uns geboren.“
In der christlichen Form, so heißt es weiter, erfahre die gemeinreligiöse Sommersonnenwendfeier eine existentielle Vertiefung. „Es ist nicht nur das, was die Menschen immer fasziniert, die Feier des Gipfels, der höchsten Kraftentfaltung, sondern ein Feiern im Bewusstsein dessen, was gern verdrängt wird, im Wissen um die Unausweichlichkeit des Abstiegs. Das Lied des Vergehens klingt von fern mitten durch alle Sommerpracht. Nur in dieser Spannung wird aus der Sonnenwende eine runde Sache, ein kosmischer Tanz, in den wir Menschen einstimmen.“
Das Johannisfeuer als Bild für Jesus Christus
Das Benediktionale, das die liturgischen Texte für Segenshandlungen der katholischen Kirche enthält, kennt eine Feuersegnung, die das Feuer als Bild für Christus heiligt. Solche Feuersegnungen führte bei den (Johannis-)Pfarr- und Kindergarten-Festen der Gehülzer Bonifatiuspfarrei der 2006 verstorbene Pfarrer Harald Schwandt ebenso durch wie sein Nachfolger Ignatius Kobus.
Die gottesdienstliche Feier des Johannistages sieht nicht nur die römisch-katholische, sondern auch die evangelisch-lutherische Liturgie vor. So predigte Dekanin Dorothea Richter zu Johanni 2003 in der Gehülzer Michaelskirche über die Geburt des Johannes und den durch sie ausgelösten Lobgesang („Benedictus“) des Zacharias, des hochbetagten Vaters von Johannes (Lukas-Evangelium, Kapitel 1 Verse 68 bis 79). Auch stellte die Dekanin die Vorbildfunktion des Johannes als Wegbereiter Christi heraus.
Im evangelischen Kirchenjahr ist Johannes der Täufer, der „Vorläufer des Herrn“, Leitbild für den 3. Sonntag im Advent; sein Ruf „Bereitet dem Herrn den Weg!“ steht an diesem Tag im Zentrum des Gottesdienstes. In der katholischen Ordnung sind der 2. und der 3. Adventssonntag thematisch durch die Gestalt Johannes des Täufers bestimmt.
Bei wie vielen (oder besser: wenigen) Feiern, die nach Johannes benannt sind, die aufgezeigten Hintergründe heutzutage eine Rolle spielen, sei dahingestellt. Fakt ist jedenfalls, dass die Zahl der im Monat Juni abgebrannten Johannis- bzw. Sonnwendfeuer in den vergangenen Jahren deutlich zunahm, wobei neben Vereinen, Kirchengemeinden, Gastronomen und Stammtischen auch immer mehr Privatpersonen ein Feuer „veranstalteten“.
Brauchausübung oder illegale Müllverbrennung?
2006 setzte das Kronacher Landratsamt die ihm bekannten Veranstalter alljährlicher Johannisfeuer davon in Kenntnis, „dass in diesem Jahr versucht werden wird, möglichst lückenlos eine zeitnahe Vorortkontrolle vorzunehmen“. Damit sollte verhindert werden, „dass oftmals widerrechtlich am Verbrennungsort abgelagerter Müll mit verbrannt wird“. Der Kommunalen Abfallwirtschaft zufolge wurden 2005 bei Stichproben an Verbrennungsorten brauchtümlicher Feuer im Kreisgebiet unter anderem Möbel und Möbelteile, Türen, Fensterrahmen, Spanplatten (in vielen Fällen beschichtet), Abbruchholz, Jägerzäune, Jagdansitze (einschließlich Dachpappe) und sogar Bahnschwellen vorgefunden.
Unter Hinweis auf das Abfall- und Ordnungswidrigkeitenrecht verdeutlichte die Behörde, dass sie gegen diese krassen Missstände energisch einschreiten wolle: „Das Landratsamt Kronach wird bei Bekanntwerden der Verursacher der unerlaubten Ablagerungen an diese herantreten und sie sowohl bußgeld- als auch beseitigungsrechtlich zur Verantwortung ziehen. Sollte der Verursacher nicht feststellbar sein, muss sich das Landratsamt bezüglich der Entsorgung der wilden Ablagerung leider unter Umständen an den Veranstalter oder den Grundstückseigentümer wenden. Sollte festgestellt werden, dass zum Zeitpunkt des Abbrennens des jeweiligen Johannisfeuers nicht zulässige Materialien enthalten sind, besteht die Absicht, gegen den verantwortlichen Veranstalter ein Bußgeldverfahren wegen Abbrennens von Abfällen einzuleiten.“
In diesem Zusammenhang empfahl das Amt den Veranstaltern, den Zeitraum für die Bereitstellung von Brennmaterial möglichst kurz zu halten und die Anlieferung nur zu bestimmten Zeiten bzw. unter Aufsicht vornehmen zu lassen. Erinnert wurde auch an die Pflicht, ein beabsichtigtes Johannisfeuer bei der Stadt- bzw. Gemeindeverwaltung anzuzeigen. „Bitte helfen Sie in Ihrem eigenen Interesse mit, die Problematik des unkontrollierten Ablagerns von Müll am Veranstaltungsort Ihres Johannisfeuers zu entschärfen“, appellierte die Kreisverwaltung. „Es wäre schließlich sehr schade, wenn das Brauchtum des Abbrennens von Johannisfeuern durch unerlässliche behördliche Maßnahmen getrübt würde.“
Auf Anfrage der Haßlacherberg-Internet-Redaktion zog das Landratsamt am 30. Juni 2008 folgende Zwischenbilanz: Die verstärkten Kontrollen der Abfallwirtschaft haben dazu geführt, dass die Veranstalter zunehmend wieder dem „eigentlichen Sinn“ der Johannisfeuer Rechnung tragen und diesen Brauch – von wenigen Ausnahmen abgesehen – nicht mehr zur Müllverbrennung missbrauchen.
(bg. / 30. 6. 2008)
► Kurzgefasster Kalenderbeitrag „Sommerweihnacht“