Neue Wege zu Ostern:
Die AuferstehungsWALKfahrt
als „der etwas andere Emmausgang“
► Ökumenisch-österliche Feier und „AuferstehungsWALKfahrt“ 2013
Emmaus-Geschichte – Osterspaziergang – Weggefährtenschaft im Glauben
Zwei Jüngern auf dem Weg von Jerusalem in das Dorf Emmaus schloss sich – zunächst unerkannt – der auferstandene Jesus an (Lukas-Evangelium Kapitel 24 Verse 13 ff.). Den beiden, die nach seiner Kreuzigung voller Trauer und Enttäuschung aus Jerusalem abgezogen waren, erklärte Jesus anhand der Schrift, wie er und seine Sendung zu verstehen sind. In Erinnerung an diese Geschichte wurde bzw. wird am Ostermontag, an dem der genannte Bibelabschnitt im Gottesdienst verlesen wird, der Brauch des Emmausgangs als geistlicher Gang mit Gebet und Gesang oder als besinnlicher Spaziergang durch die erwachende Natur begangen. Ziel war bzw. ist dabei häufig eine Kirche oder eine Kapelle. In Anlehnung an die an Jesus gerichtete Bitte der beiden Jünger – „Bleibe bei uns, denn es will Abend werden…“ (Lukas 24, 29) – findet sich an manchen Gasthäusern ein Gemälde mit einem Schriftzug der zitierten Einladung. Bestandteil der Emmaus-Geschichte ist auch die erste nachösterliche Eucharistiefeier, welche die zwei Jünger mit Jesus hielten (Lukas 24, 30), wobei sie ihn erkannten, als er das Brot brach. Den Namen Emmauskirche tragen zahlreiche, vor allem evangelische Kirchen.
Osterspaziergänge von Goethe bis Köhler
In säkularisierter Form kommt der Emmausgang als Osterspaziergang in Johann Wolfgang von Goethes Faust vor. In dem 1806 entstandenen Werk unternimmt Faust mit Wagner einen Ausflug und mischt sich in der vom Frühling bestimmten Natur („Vom Eise befreit sind Strom und Bäche…“) unter das promenierende Volk. Ein anderer und in positiver Hinsicht folgenschwerer Ausflug ist aus Haßlacherberg-Sicht von besonderem Interesse: In seinem Buch über die Entwicklung des Landkreises Kronach an der deutsch-deutschen Grenze (Kronach 1998) schreibt Dr. Heinz Köhler, Kronacher Landrat von 1972 bis 1989, dass ihn die sagenumwobene Heunischenburg besonders interessiert habe. Nach einem „Osterspaziergang“ Köhlers 1982 zur Heunischenburg „reifte die Idee einer Grabung“ bei ihm. Nach Überwindung verschiedener Hürden begann dann bereits im Folgejahr die archäologische Erforschung dieses einmaligen Vorgeschichtsdenkmals. Doch wieder zum Thema Emmausgang: Als aus diesem abgeleitet, wird auf garten-literatur.de ein „oft mit viel Heiterkeit verbundener“ „Osterspaziergang“ vorgestellt, bei dem die Kinder noch einmal Ostereier suchen können. In diesem Zusammenhang fällt auch der gesellige Oster[montag]nachmittag des Gartenbauvereins Ziegelerden auf dem Dorfplatz ein, zu dem in der Regel zahlreiche Einwohner einen „Osterspaziergang“ unternehmen (vgl. hier).
Der Sinn des „Ausgehens“ verweltlichte sich
„Eben ausgehen“ ins nächste Wirtshaus – so ist ein Beitrag in „Unser Bayern“ (Beilage der Bayerischen Staatszeitung) vom März 2006 überschrieben, in dem Paul Werner „von der Verweltlichung des Emmausgangs an Ostern“ berichtet. Laut Werner wurde „im Volk“ „das unverstandene Wort Emmausgehen zu ‚eben ausgehen’ verstümmelt“. Wenn ein junger Mann „sein Bräutchen“ „Emmaus führt“, dann geleitet er sie in ein benachbartes Wirtshaus, wo er ihr Bier, Wein und Würstchen zahlt. Wenn mancherorts Männer mit einem Fass Bier auf einem Leiterwagen zum „Emmausgehen“ losziehen, dann erinnert das an Gepflogenheiten, wie sie vom Vatertagstreiben an Christi Himmelfahrt bekannt sind. Laut Gustav Schmidt (Oberfränkisches Brauchtum in alter und neuer Zeit, Bayreuth 1994) heißt der Spaziergang am zweiten Osterfeiertag in vielen Gegenden „Gang nach Emmaus“, wobei die Bäuerin die Verwandtschaft besuchte und der Bauer „zum Wirt“ ging. Konkrete Belege aus Oberfranken führt Schmidt aber nicht an. Im Zusammenhang mit Goethes bereits oben erwähntem Osterspaziergang schreibt der Autor: „Wie die Pflanzenwelt zu neuem Leben erwachte, sich mit frischen Blättern schmückte, wollten auch die Bürger der engen, düsteren Städte ‚neu’ in den gesundes Leben verheißenden Frühling gehen.“ Dies dürfte ähnlich auch für Dorfbewohner gegolten haben.
Der Glaube daran, „dass Jesus selber mitgeht“
Doch nun wieder zum christlich-religiösen Hintergrund des Emmausgangs: Abgeleitet von der biblischen Szene des Lukas-Evangeliums wird der Begriff Emmaus „zum Sinnbild für religiöse Erfahrung durch Begegnung und durch (Mit-)Teilen von Leid, im weiteren für Weggefährtenschaft im Glauben allgemein, auch und gerade durch schwierige und zunächst hoffnungslose Zeiten“ (so Ludwig Schmidinger im ökumenischen Wörterbuch „Der Glaube der Christen“, München/Stuttgart 1999). „Die Erfahrung der beiden Jünger, dass Jesus, der Auferstandene, mit ihnen ging, während sie einander über ihre Hoffnungen und Enttäuschungen sprachen, ermutigt seither immer wieder Christen, gemeinsam einen Weg zu gehen und sich dabei von ihrem Leben zu erzählen – und miteinander daran zu glauben, dass Jesus selber mitgeht“, heißt es auf kathweb.de. Ganz in diesem Sinne wird auf kaththeol.uni-muenchen.de festgestellt: „Die Emmaus-Geschichte kann gerade als Ostererzählung für die Glaubenden der späteren Generationen verstanden werden.“
Personale Begegnung mit dem auferstandenen Herrn
Dass „die Auferstehungsgeschichten in die Nachfolge“ rufen, betont Johannes Thiele (Das große Hausbuch, Stuttgart 1991): „Die Emmausjünger, deren Augen vor Angst und Resignation zugewachsen waren, werden sehend und erkennen den Herrn.“ Ostern, so Thiele, könne zu „Auferstehungserfahrungen“ mitten im Leben und zu Augen verhelfen, „die das Dunkel um uns durchdringen können“. Laut Karl Kardinal Lehmann (Freude für deine Seele – Ostergedanken; Leipzig, o. J.) handelt die Emmaus-Geschichte im Grunde von der Frage, „warum und wie man auch heute an den Auferstandenen glauben kann“. Die personale Begegnung mit dem auferstandenen Herrn geschehe „entscheidend im Wort der Schrift und im Sakrament der Eucharistie“. An anderer Stelle – auf welt.de – stellt Karl Lehmann (2003) fest: „Die Emmaus-Jünger machen eine Erfahrung, die auch heute gilt: Wissen allein schafft keinen Glauben.“ Auch hier betont Lehmann: „Die Emmaus-Jünger haben mir gezeigt, wie ich als ‚Jünger zweiter Hand’ Jesus auch heute noch unmittelbar begegnen kann: im Wort und Sakrament.“ In „Die Emmaus-Geschichte – etwas anders gelesen“ (Münster 2005) nennt Joachim Korbacher diese Geschichte ein „Paradigma für die jedem Christen grundsätzlich offen stehende Erfahrung, dem lebendigen Herrn in der Gemeinde und ihren Mahlfeiern zu begegnen“. Für den Autor geht das eucharistische Mahl in Emmaus „über das Letzte Abendmahl am Gründonnerstag hinaus“.
„Emmaus“ in der Praxis von Pädagogik und Seelsorge
Auch religionspädagogisch und -didaktisch ist der Emmausgang von vorbildhafter Bedeutung: Zum Beispiel können unter dem Titel „Da gingen ihnen die Augen auf“ Jugendliche über ihre Lebenserfahrungen nachdenken, ins Gespräch darüber kommen, nach Gott fragen und schließlich von der frohen Botschaft hören, dass Jesus lebt und unser treuer Begleiter ist und bleibt. Für den gemeinsamen Gang braucht es ein Textblatt mit ausgewählten Texten und Liedern und nach Möglichkeit einen begleitenden Gitarrenspieler, heißt es in einer Arbeitshilfe (bdkj-passau.de). In einer Fachpublikation über religiöses Lernen an Schulen wird der Emmausgang als „Lernprozess zur Selbstkundgabe“ vorgestellt (elib.tu-darmstadt.de). Das Lernprogramm „Seelsorgliche Gesprächsführung“ (Düsseldorf 1996) handelt vom „Ertrag der Emmaus-Geschichte für unser Seelsorgeverständnis“: Diese Geschichte „klärt uns über einen entscheidenden Sachverhalt auf: Seelsorge besteht nicht im bloßen Belehren eines Ratsuchenden durch den Seelsorger, sondern im Mitgehen, gemeinsamen Erzählen und Umdeuten, das von einer positiven Grundhaltung geprägt ist.“ Laut emmausbewegung.de besteht die Emmaus-Grunderfahrung darin, „dass wir die Menschen mit den liebenden Augen Jesu ansehen und ihnen einen Raum geben, sich zu öffnen, verstanden zu werden und sich fallen zu lassen. So kann sich Not lösen. Und so werden auch die Herzen von Menschen berührt, von unserer menschlichen Liebe, aber auch von der Liebe Gottes.“
Wiederbelebung oder Neueinführung des Emmausgangs
Zwei beispielhaft ausgewählte Veröffentlichungen des Jahres 2009 belegen, wie der Brauch des Emmausgangs mit unterschiedlichen Ausprägungen neu ins Leben gerufen bzw. belebt wurde: In Band 2 der Landesvereins-Schriftenreihe „Heimatpflege in Bayern“ wurde unter der Überschrift „Emmaus liegt im Zusamtal“ der 2006 eingeführte musikalische Osterspaziergang in Violau (Landkreis Augsburg) vorgestellt, bei dem „die Mischung aus geistlichen Volksliedern, überlieferten Bläserweisen und modernen Texten“ „wichtig ist“. „Fränkische Tradition neu belebt“ überschrieb das Coburger Tageblatt vom 14. April 2009 den Bericht über den von der Coburger Johanneskirchengemeinde (evang.) im Vorjahr erstmals wieder aufgegriffenen Brauch des Emmausgangs, bei dem im Berichtsjahr Texte aus dem Johannes-Evangelium betrachtet wurden, die die Begegnungen des auferstandenen Jesus in den 40 Tagen zwischen Ostern und Himmelfahrt schildern. Als drittes Beispiel sei der Ende der 1990er Jahre entwickelte, ökumenische Emmausgang in Frankfurt-Rödelheim angeführt, bei dem (laut kirche-im-aufbruch.ekd.de) evangelische und katholische Christinnen und Christen am Ostermontag frühmorgens gemeinsam zu einem Pilgerweg aufbrechen, um die Osterbotschaft im Gehen, Schweigen, Hören und Singen jeweils ganz neu zu erfahren. Dass für den Emmausgang auch eine andere Tageszeit in Frage kommt, ist z. B. auf evangelischepilgerwege.de zu lesen: „Nimmt man die Auferstehungsfeier bei Tagesanbruch am Ostermorgen als Beginn der Osterfeiertage, so bildet der Emmausgang in der Abendzeit des zweiten Osterfeiertags deren Abschluss.“
Unterschiedliche Brauchausprägungen an einem Ort
Ein interessantes Beispiel für die Entwicklung des Emmausgangs an einem bestimmten Ort wird auf waldverein-zwiesel.de aufgezeigt: „Der Emmausgang ist ein Brauch in Erinnerung an den Gang der Jünger nach Emmaus, nach der Auferstehung von Jesus Christus. Bereits vor über 100 Jahren gingen die Theresienthaler Glasmacher am Ostermontag Emmaus. Sie zogen jedoch nicht zu einer Kapelle, sondern in die Wirtshäuser der Umgebung. Im Laufe der Zeit ging dieser Brauch verloren.“ Als 2001 die Glashütte Theresienthal vor dem Konkurs stand, wurde „dieser österliche Brauch des Emmausgehens“ als Bittgang für die Glasbetriebe eingeführt. „Der Emmausgang ist keine Wallfahrt, sondern ein Spaziergang nach altem Brauch in die erwachende Natur.“ Die „Emmausgänger“ ziehen mit dem katholischen Stadtpfarrer zur nahe gelegenen, „legendären Theresienthaler Glasmacherkapelle“. Anschließend trifft man sich zum Kaffeetrinken.
● „DreifaltigkeitsWALKfahrt“ und „AuferstehungsWALKfahrt“
2011 konkretisierte Bernd Graf, Vorsitzender des Heimatpflege-Vereins Gehülz/Seelach/Ziegelerden, seine bereits zuvor geäußerte Idee zur Veranstaltung „des etwas anderen Emmausgangs“ in Gestalt der „AuferstehungsWALKfahrt“. Als Vorbild diente Graf dabei die von ihm konzipierte und bereits wiederholt erfolgreich durchgeführte „DreifaltigkeitsWALKfahrt“ für Nordic Walker und Wanderer, die unter der Dachmarke „Nordic Walking plus“ und unter dem Motto „Bewegung für Körper, Geist und Seele“ in Kooperation mit dem Turnverein „Eichenkranz“ Gehülz und in Co-Leitung mit Oberturnwartin Susanne Weber ausgerichtet wird (vgl. hier). Auch eine Kooperation mit den Ortskirchen beider Konfessionen hielt Graf bei der „AuferstehungsWALKfahrt“ für denkbar. Falls sich eine Realisierung am Ostermontag als problematisch erweise, wäre die Abhaltung aus seiner Sicht auch am Abend des Osterdienstags in Betracht zu ziehen. Hinter seiner Initiative zur „AuferstehungsWALKfahrt“ stand für Bernd Graf, der ein Vierteljahrhundert als „Laie“ im Predigtamt der evang.-luth. Kirche ehrenamtlich „gedient“ und darüber hinaus zahlreiche Anstöße für die Ökumene vor Ort gegeben hatte, besonders ein religiöses Anliegen. Denn:
Religiöses Anliegen hinter der „AuferstehungsWALKfahrt“
Auf Jesu Menschwerdung und Auferstehung basiert die christliche Hoffnung. Zur Auferstehung heißt es im ersten Brief des Apostels Paulus an die Gemeinde in Korinth im 15. Kapitel in den Versen 13, 14 und 20 (nach der Übersetzung der „Gute-Nachricht-Bibel“): „Wenn es keine Auferstehung der Toten gibt, dann ist auch Christus nicht auferweckt worden. Und wenn Christus nicht auferweckt worden ist, dann hat weder unsere Verkündigung einen Sinn noch euer Glaube. Nun aber ist Christus vom Tod auferweckt worden, und als der erste Auferweckte gibt er uns die Gewähr, dass auch die übrigen Toten auferweckt werden.“ Dabei legt Bernd Graf Wert darauf, dass die Bedeutung der Auferstehungsbotschaft nicht auf einen Aufbruch oder Neubeginn im irdischen Leben beschränkt wird, sondern – vor allem – auf den letztlichen Übergang in ein Leben, das keinen Tod mehr kennt, abzielt. „Wenn man die Möglichkeiten des allmächtigen Gottes darauf reduzieren will, was der kleine menschliche Verstand fassen kann, dann ist das unlogisch“, so Graf. Und er zitiert die ehemalige Bischöfin und EKD-Ratsvorsitzende Margot Käßmann: „Ostern ist der Glaube daran, dass Gott unser Leben über den Tod hinaus hält.“ Oder den 2010 nachfolgenden Ratsvorsitzenden Nikolaus Schneider: „Auferstehung bedeutet: In die Ewigkeit Gottes hinein verwandelt werden.“ „Vielleicht können wir“ – schreibt Burkhard Weitz in „chrismon“ (2003) – „mit zwei Wahrheiten leben: mit einer, die sich beweisen lässt, und mit einer, die Mut zum Leben macht.“