Zu den Grundschülerinnen und Grundschülern, die beim Nikolaus-Malwettbewerb besonders erfolgreich waren, zählte auch Lea Welscher (Dritte von links) aus der Klasse 3b der Volksschule Gehülz-Ziegelerden. Foto: K.-H. Hofmann
Nikolaus, Christkind, Weihnachtsmann – Gabenbringer und mehr
Zu einer landesweiten Malaktion an Grundschulen rief der Bayerische Trachtenverband 2008 auf, um – laut Kultusministerium – „auf die Bedeutung des heiligen Nikolaus und das damit verbundene Brauchtum aufmerksam zu machen“. In der Ausschreibung des Malwettbewerbs steht: „Durch eine thematische Behandlung und Gegenüberstellung im Unterricht und den ergänzenden Malwettbewerb wird den Kindern Gelegenheit gegeben, sich wieder bewusst mit dem heiligen Nikolaus auseinander zu setzen und den Unterschied zum Weihnachtsmann zu erkennen.“
„Der Weihnachtsmann ist eine erfundene Werbefigur und hat den heiligen Nikolaus in den Hintergrund gedrängt“, klagte Walter Sirch vom Trachtenverbandsbereich „Laienspiel, Mundart und Brauchtum“. Das religiös-soziale Nikolaus-Brauchtum stehe im Gegensatz zum säkularisierten und kommerzialisierten Weihnachtsmann, der dafür sorgen solle, „dass die Kasse stimmt“, und der einen Bedarf schaffen solle, „den es gar nicht gibt“. Demgegenüber verbinde man den heiligen Nikolaus mit christlichen Werten wie Nächstenliebe und weihnachtlicher Vorfreude.
Volksschule Gehülz-Ziegelerden erfolgreich
Auch die Volksschule Gehülz-Ziegelerden beteiligte sich am Nikolaus-Malwettbewerb. Lea Welscher (Ziegelerden, Beim Ruhacker) aus der Klasse 3b „ermalte“ sich mit ihrem Nikolaus-Bild den Kronacher Kreissieg in der Wertungsklasse II (3. und 4. Klassen); zudem wurde sie Zweite Bezirkssiegerin dieser Wertungskategorie. Zum Gehülz-Ziegelerdener Schulsieger in der Wertungsklasse I (1. und 2. Klassen) wurde Lukas Kessel (Gehülz, Ellmershausstraße) aus der 2. Klasse gekürt.
Die Siegerehrung für Lea Welscher auf Landkreisebene erfolgte durch Landrat Oswald Marr sowie durch Gregor Lorsbach (Trachtengauverband Oberfranken und Volkstrachtenverein „Zechgemeinschaft“ Neukenroth). Auf oberfränkischer Ebene, wo sich laut Bezirk 110 erste bis vierte Klassen aus 47 Schulen beteiligten, nahm Bezirkstagspräsident Dr. Günther Denzler die Auszeichnung vor.
Zitieren wir aus der Veröffentlichung des Bezirks Oberfranken vom 13. Januar 2009: „So schaut er also aus, der heilige Nikolaus. Ob mit Wasserfarben, Buntstiften oder auch Wachsmalkreiden, die oberfränkischen Grundschüler haben ihrer Kreativität freien Lauf gelassen. Ausgestattet mit Mitra, Bischofsstab und Bibel – das ist der heilige Nikolaus. Er unterscheidet sich damit deutlich vom Weihnachtsmann, der in der Weihnachtszeit in rotem Anzug und mit roter Zipfelmütze überall präsent ist.“
Zwei „Nikoläuse“ verschmolzen zu einem
Im Rahmen der Trachtenverbandsaktion wurde auch der geschichtliche, volkskundliche und religiöse Hintergrund von Sankt Nikolaus einigermaßen erhellt. Die nachfolgenden Ausführungen greifen aber über die vom Verband bereitgestellte Literatur hinaus.
Das Bild des Wohl- und Wundertäters hatte sich aus zwei historischen Figuren geformt: dem Bischof Nikolaus von Myra (4. Jh.) und dem Abt Nikolaus von Sion (auch Bischof von Pinora, 6. Jh.). Es gibt mehrere Legenden um den populären Heiligen, der darin die Armen und Notleidenden selbstlos beschenkt. Historisch hingegen ist, dass Nikolaus von Myra im Jahr 325 am Konzil von Nizäa teilnahm, auf dem das Glaubensbekenntnis beschlossen wurde, das bis heute Christen verbindet. Er trat vehement für die Lehre von der Gottessohnschaft Jesu und der Dreieinigkeit Gottes ein. Wegen seiner Menschenfreundlichkeit und Freigebigkeit wird er vor allem in den Kirchen des Ostens sehr verehrt.
Laut „Ökumenischem Heiligenlexikon“ ist der beliebte Volksheilige Nikolaus von Myra Patron folgender Personen: Kinder, Schüler, Mädchen, Jungfrauen, Frauen mit Kinderwunsch, Gebärende, alte Menschen, Ministranten, Feuerwehrleute, Pilger und Reisende, Seeleute, Schiffer, Fischer, Flößer, Schiffsbauer, Matrosen und Fährleute, Sinti und Roma (Zigeuner), Gefangene, Diebe und Verbrecher, Eigentümer, Bettler, Kaufleute, Bankiers, Pfandleiher, Richter, Rechtsanwälte und Notare, Apotheker, Bauern, Bäcker, Müller, Korn- und Samenhändler, Metzger, Bierbrauer, Schnapsbrenner, Wirte, Weinhändler, Fassbinder, Parfümhersteller und -händler, Schneider, Weber, Spitzen- und Tuchhändler, Knopfmacher, Brückenbauer, Steinmetze, Steinbrucharbeiter, Kerzenzieher. Er wird angerufen für glückliche Heirat und Wiedererlangung gestohlener Gegenstände sowie gegen Wassergefahren, Seenot und Diebe.
Bischofsspiele und Begleitfiguren
Als sich im 9./10. Jahrhundert die Kunde vom heiligen Nikolaus in Deutschland ausbreitete, vermischte sie sich mit noch lebendigen heidnischen Bräuchen. Daraus resultierte, dass der Heilige Begleiter wie Knecht Ruprecht oder Krampus bekam. Solche Assistenzfiguren, die als dunkle Drohgestalten der Lichtgestalt des Nikolaus an die Seite gestellt wurden, dienten auch dazu, dem Nikolaus-Auftritt bei den Kindern Nachdruck zu verleihen. Auch versinnbildlicht das Nebeneinander von Licht- und Drohgestalt den Dualismus von Gut und Böse, Gott und Teufel, Belohnung und Bestrafung. Teilweise wird Nikolaus als Symbolfigur für den barmherzigen und vergebenden Jesus Christus gesehen, während Ruprecht in der Rolle des Anklägers, Angstmachers und Bestrafers mit dem Satan gleichgesetzt wird. Dass sich die Begleiter der Machtposition des Nikolaus unterordnen mussten, weist letztlich auf den Sieg des Guten über das Böse hin. Bis weit ins 18. Jahrhundert hinein entwickelte sich eine von Region zu Region unterschiedliche Nikolaus-Begleiterschar aus überwiegend dämonischen Umzugsgestalten.
Verschiedene Nikolaus-Bräuche sind zurückzuführen auf ehemalige Mirakel- bzw. Bischofsspiele und damit verbundene Umzüge, in deren Zusammenhang die Literatur auch von grotesken Auswüchsen berichtet, auf die die Kirche mit Verboten reagierte (z. B. Konzil 1435). Bei den in Klosterschulen stattgefundenen Bischofsspielen wurde ein Schüler für einen Tag als Kinderbischof eingesetzt, der über die Erwachsenen Gericht hielt und sie bestrafen oder belohnen ließ. Aus der zugehörigen Beschenkung der Schüler entwickelte sich im 15. Jahrhundert der Brauch, möglichst große Schuhe oder Socken vor die Tür zu stellen bzw. zu legen, die dann heimlich mit Geschenken gefüllt wurden.
Der Heilige Christ und das Christkind
Unter dem Einfluss der Reformatoren (Martin Luther verlegte 1535 das Beschenken der Kinder vom Nikolaustag auf den 24. Dezember) bekam Nikolaus als Gabenbringer Konkurrenz durch den Heiligen Christ bzw. durch das Christkind. Dabei ist das Christkind keine Inkarnation Jesu Christi, sondern geht zurück auf die Weihnachtsspiele, in denen die Christkinder zur Krippe zogen und dem Jesuskind Geschenke darbrachten (weshalb das Christkind traditionell als Mädchen oder als Engel dargestellt wird). Andere wiederum verstehen unter dem Gaben bringenden Christkind das Christuskind aus der Krippe selbst, in welchem sich Gott den Menschen als Gabe darbringt.
Nach reformatorischem Verständnis stellen die Geschenke an die Kinder keine Belohnung für besonders braves und fleißiges Verhalten mehr dar; sie sollen stattdessen ein Sinnbild sein für das Geschenk, das Gott den Menschen mit seinem Sohn macht. Mit diesem Erfassen des zentralen Weihnachtsgeschehens wurde das Geschenk des Lichtes in der Finsternis, des Heils in einer unheilen Welt auch in breiten Volksschichten bewusster. Im ausgehenden 18. und beginnenden 19. Jahrhundert gab es eine interkonfessionelle Brauchangleichung in der Weise, dass Christkind und Christbaum auch katholisch wurden, während die Weihnachtskrippe Zugang auch in evangelische Häuser fand. Im protestantischen Weihnachtsbrauchtum verlor das Christkind allerdings an Bedeutung (zugunsten des Weihnachtsmannes; vgl. unten). Unter dem Strich führte die Entwicklung jedenfalls dazu, dass die Kinder im Dezember allgemein zweimal – zu Nikolaus und zum Christfest – beschenkt wurden/werden.
Vom Einlegen zum Einkehren und Examinieren
Die Kinderbescherung durch den Nikolaus wurde im Zuge der Gegenreformation eindrücklich in Szene gesetzt; aus dem einfachen nächtlichen Einlegebrauch (Einlegen von Äpfeln, Nüssen usw. in bereitgestellte Schuhe) wurde allmählich der aufwendigere abendliche Einkehrbrauch, was im Kontext einer verstärkten Adventpädagogik stand. Der Nikolaustag wurde zum Prüftag der Kinder. Die „Kinderexaminierung“ an diesem Tag ist auch im Zusammenhang mit dem seinerzeit als Tagesevangelium bestimmten Gleichnis von den Talenten (Matthäus 25, 14 – 30) zu sehen.
Der wortgewaltige Abraham a Santa Clara berichtet für das späte 17. Jahrhundert, dass am Vorabend des 6. Dezember gewöhnlich der „Nicola“ komme, „die Kinder zu probieren und zu examinieren, ob sie auch durch ihre Herren Lehrmeister, Hofmeister, Schulmeister, Rechenmeister, Sprachmeister und andere Informations-Räthe wohl unterwiesen in Glaubens-Sachen, im Buchstabieren, Sylbe theilen, Lesen und Schreiben, im Rechnen, in Sprachen etc.“
In seinem Buch „Das Kirchenjahr entdecken & erleben“ (Leipzig 2006) schreibt Eckhard Bieger SJ: „In der Aufklärung wurde Nikolaus zu einer Drohfigur umfunktioniert, der wie beim Weltgericht aus einem Buch den Kindern ihre Fehler vorliest. Dieser Brauch ist ein Missbrauch. Nikolaus ist nicht der pädagogische Gehilfe der Erwachsenen, sondern Patron der Kinder.“
Herr Winter, Santa Claus und Weihnachtsmann
Im 19. Jahrhundert bildete sich der Weihnachtsmann heraus (vgl. Heinrich Hoffmann von Fallersleben 1835: „Morgen kommt der Weihnachtsmann“). Sein Aussehen war geprägt unter anderem durch den von Moritz von Schwind gezeichneten „Herrn Winter“; die bischöflichen Attribute der Nikolausfigur waren durch Gabensack und Rute ersetzt. Teilweise wird der Weihnachtsmann auch als Verschmelzung des heiligen Nikolaus mit dem vorchristlichen Knecht Ruprecht gedeutet. Die kirchliche Bindung der Brauchfiguren, die bei dem vorweihnachtlichen Rügebrauch in Erscheinung traten, verflachte zunehmend.
Rotes Gewand, Mütze, weißer Bart und eine gewisse Leibesfülle – dieses „weihnachtsmännische“ Erscheinungsbild verbreitete sich ab 1931 von Amerika aus durch die Coca-Cola-Werbung, die auf den 1862 von Thomas Nast geschaffenen, einem pfälzischen Belzenickel nachempfundenen Santa Claus zurückgriff (wobei dieser Begriff vom niederländischen Sinterklaas abgeleitet ist). Die Kult- und Konsumfigur des Weihnachtsmannes verdrängte nicht nur im deutschen Sprachraum immer stärker das Christkind als Geschenkebringer. Schließlich haftete dem Weihnachtsmann das Image eines „ruchlosen Geschäftemachers“ an; auch vermischte er sich mit Väterchen Frost der Russen, Father Christmas der Engländer, Père Noël der Franzosen und anderen Figuren.
In seinem Hausbuch „Weihnachten im Wandel der Zeiten“ (Stuttgart 2000) stellt Eugen Ernst fest: „Der beliebte Bescherheilige Nikolaus wird meist in der Figur des Weihnachtsmannes als Lebkuchen- und Schokoladenmodell selbst ein Bescherobjekt, und was von ihm übrig bleibt, wird nach Neujahr in Osterhasenformen umgeschmolzen. Der Markt hat sich seiner total angenommen und ihn in geldschaffendes Warenbrauchtum umgemünzt.“
Nikolaus, Weihnachtsmann – zum Verwechseln ähnlich?
Dass man mit dem „Weihnachtsmann“ auch positive Inhalte im christlichen Sinne verbinden kann, zeigt z. B. eine Veröffentlichung der Bremischen Evangelischen Kirche, wonach der „Weihnachtsmann“ als „alter Mann mit weißem Bart und roter Bischofstracht“ dargestellt wird. Dies sei ein traditionelles Sinnbild für Gott, den gütigen und schenkenden himmlischen Vater.
„Achtung, weihnachtsmannfreie Zone“ heißt hingegen eine 2002 ins Leben gerufene Aktion mit zugehöriger Internetseite des Bonifatiuswerkes der deutschen Katholiken. Damit möchte das Diasporahilfswerk aktiv dazu beitragen, den heiligen Nikolaus in der Gesellschaft wieder in den Vordergrund zu stellen und einer Verwechslung mit der „populären Kunstfigur des Weihnachtsmannes“ entgegen zu wirken. In diesem Zusammenhang konnte man sich den „echten“ Nikolaus aus Vollmilchschokolade mit Mitra und Bischofsstab schicken lassen. Auf dessen Verpackung wird der prominente Fernsehjournalist und evangelische Diplomtheologe Peter Hahne zitiert: „Uneigennützigkeit, Nächstenliebe, Solidarität, Schenken und Teilen – das sind Werte, die ich mit St. Nikolaus verbinde.“
„In Bayern fürchtet man Verdrängung des Nikolauses durch den Weihnachtsmann“, titelte die Nachrichtenagentur ddp im Dezember 2008. Und: „Brauchtumsschützer kritisieren knollnasige Witzfigur“. Man wünscht sich unter anderem, dass bei den Schokoladenfiguren der „echte“ Bischof Nikolaus den Weihnachtsmann im „roten Strampelanzug“ und mit „Gartenzwerghaube“ allmählich aus den Supermarktregalen verdrängen möge. Ein Anfang wäre schon gemacht, wenn es ein kleines Sortiment an Nikolausfiguren gäbe, heißt es. ddp zitiert auch den Kulturwissenschaftler Rainer Wehse, dem zufolge viele Menschen den Unterschied zwischen Nikolaus, Weihnachtsmann und Christkind nicht mehr kennen. Gleichwohl kommt nach Wehses Ansicht seit einigen Jahren die Figur des heiligen Nikolaus wieder mehr zur Geltung.
Lebt denn der alte Nikolaus noch?
In dem Buch „Sternstunden“ mit „Kulturgeschichte(n) zur Weihnachtszeit“, das die Deutsche Stiftung Denkmalschutz 2006 herausgab, stellt Manfred Becker-Huberti über den heiligen Nikolaus fest: „1500 Jahre Tradition, legendäre Überhöhung, frömmste Inbrunst, kitschigste Verniedlichung und gnadenlose Vermarktung, pädagogische Instrumentalisierung, folkloristische Einvernahme und werbemäßige Trivialisierung hat der große alte Mann erstaunlich gut überstanden.“ Nikolaus habe vorgemacht, „wie man vor Gott gerecht oder heilig wird“. Besitz sei für ihn ein Geschenk Gottes, das dann Früchte trage, wenn man es weitergibt. Dem profanierten, als Kaufanreiz verzweckten Nikolaus stellt Becker-Huberti den wahren Nikolaus als eine Leitfigur gegenüber, „die aller Käuflichkeit widerspricht“.
Bernd Graf
Januar 2009
Literaturhinweis:
Nicht für die hiesige Webseite ausgewertet wurde die Heimatbeilage zum Oberfränkischen Schulanzeiger Nr. 266/1999: Sankt Nikolaus in Oberfranken, von Birgit Jauernig-Hofmann.
Dieses Foto zeigt, was für eine Gestalt 1932 als „Nikolaus“ vor die Schulkinder in Gehülz trat.