Notizen zur Mundartpflege – aus Haßlacherberg-Sicht
THEMA WEIHNACHTSLIEDER. Der Evangelische Presseverband für Bayern gibt ein regelmäßiges „Magazin für engagierte Christen“ („SonntagsblattTHEMA“) heraus – jedes Mal zu einem anderen Thema. Heft 6/2009 befasste sich mit „Musik zur Weihnacht – Lieder, Klänge und Gefühl“. Im Kapitel „Selber singen“ wurde auch je ein Lied als Kostprobe aus Franken, aus Schwaben und aus Altbayern vorgestellt. Für Franken war es das Lied „Kleiner Knabe, großer Gott“ – also jenes Lied, zu dem Bernd Graf die Gehülzer Mundartfassung „Du glass Bübla, gruoße Godd“ getextet hatte. Diese war vom örtlichen „Liederkranz“-Chor beim „Mundart-Advent an der Heimatkrippe“ 1996 uraufgeführt und wegen der Popularität dieses Liedbeitrags auch in die nachfolgenden „Mundart-Advent“-Programme (so auch 2009) aufgenommen worden. „Dass dieses Lied nicht nur bei uns populär ist, zeigt die Tatsache, dass es im o. g. Magazin das weihnachtliche Liedgut Frankens repräsentiert“, stellte Bernd Graf in einer E-Mail vom 19. Dezember 2009 an verschiedene „Heimat-Kultur-Freunde“ fest.
ÜBERALL IST BETHLEHEM. Dieser aus gerade mal drei Wörtern bestehende Liedtitel von Hanne Haller umschreibt trefflich das „Prinzip Heimatkrippe“. Beim „Mundart-Advent an der Heimatkrippe“ 2007 zu St. Michael Gehülz stand eine örtliche Mundartvariante dieses Liedes („Überool is Bedlehem“) auf dem Programm, dargeboten von der Kirchenband der Christuskirche Kronach. Im Refrain der mundartlichen Textfassung von Bernd Graf heißt es über Bethlehem: „A Haufm Wejche genna doad hi.“ Welche Wege das sind, wird im Liedtext auch aufgezeigt: „Wennsda gibsd, dich veschenggsd, wennsda nije blous oa dich denggsd…“ – 1992 war das erste Weihnachtsalbum von Hanne Haller nach ihrem Titel „Überall ist Bethlehem“ benannt worden. Diesen Titel enthält auch die kurz nach ihrem Tod veröffentlichte CD „Wir sind nur Gast auf dieser Welt“ mit den schönsten christlichen Liedern der gläubigen Künstlerin, die 2005 55-jährig verstorben war. Hanne Haller hatte ihre „ganz große Liebe zur Schöpfung und ihrem Schöpfer“ als ihr „wichtigstes Lebensgefühl“ bezeichnet.
DIE STILLE ZEIT. So lautet der Titel eines Adventslieds in dem von Konrad Böhm zusammengestellten, 1982/1987 herausgegebenen Heft „Vorweihnachtliches Singen und Musizieren. Wort – Lied – Musik im fränkischen Brauch“. Anlässlich der Vorstellung der Gehülzer Heimatkrippe „Heilige Nacht auf der Heunischenburg“ am 12. Dezember 1994 in der St.-Michael-Kirche Gehülz wurde das genannte Lied durch die „Gehülzer Saitenmusik“ erstmals in einer örtlichen Mundarttextfassung von Bernd Graf vorgetragen. In der Stammbesetzung mit Tobias Porsch, der auch den Gesang darbot, und seinem Bruder Klaus Porsch gab die Saiten- bzw. Stubenmusik „Die stille Zeit“ in dieser Fassung auch beim „Mundart-Advent an der Heimatkrippe“ und bei vorweihnachtlichen Feiern von Haßlacherberg-Vereinen zum Besten. Auswärtige Aufführungen waren z. B. bei einem Ortsjubiläumsstammtisch in Nordhalben, bei einem Jahresschlusstreffen des Arbeitskreises für Heimatpflege in Mitwitz oder bei einer „Fränkischen Weihnacht“ der Arbeitsgemeinschaft Fränkische Volksmusik in Lippertsgrün. Auch andere (Musik- und) Gesangsgruppen in der Gegend übernahmen diese Mundartfassung bzw. orientierten sich daran. – Erwähnt werden soll noch ein durch das Heft „Volksmusik in Bayern“ (4/1995) verbreitetes geistliches Volkslied zur Weihnachts- und Adventszeit mit dem Titel „Freud über Freud“. Mit einem von Bernd Graf verfassten Mundarttext wurde es durch die „Gehülzer Saitenmusik“ beim „Mundart-Advent an der Heimatkrippe“ am 1. Dezember 2002 uraufgeführt und auch bei zahlreichen weiteren Anlässen dargeboten. ► Zum Mundarttext „Freud übe Freud“
DORFORIGINAL UND BLASMUSIK. Dorforiginale gab es selbstverständlich auch auf dem Haßlacherberg – zum Beispiel den „Adelphla“ bzw. „Adolfla“, einen Holzspalter von Gehülz-Geiersgraben (Geieschgroum), der dem Schnaps huldigte. Eine „versuchte Zwangsanleihe“ bei einem Kaufmann in der Amtsgerichtsstraße in Kronach mit den Worten „Herr Lang, wenn sa me ka Mark gejm, heng ich mich in ijen Loudn auf“ hatte zwar zunächst den gewünschten Erfolg, aber eine Anzeige wegen Erpressung im Gefolge. In einer kalten Winternacht um 1882 fiel der „Adelphla“, der betrunken seinen Heimweg angetreten hatte, in den Hugelschen Steinbruch bei der „Eisernen Hand“, wo er tags darauf mit erfrorenen Füßen aufgefunden wurde. Als er dann daheim in der Hehl, dem engen Zwischenraum zwischen Wand und Kachelofen, lag, sagte er, auf seine Füße deutend und den baldigen Tod erwartend: „Meina Zeja senn wie a Trümmla Huolz.“ – An dieses Dorforiginal erinnerte Bernd Graf beim Gehülzer Dorfabend 1997, bei dem die „Bergmusikanten“ Gehülz unter anderem die „Gehülzer Bergpolka“ von Hans Deinlein (Stockheim-Haßlach) spielten. 1998 stellte der aus Gehülz stammende Deinlein dem Gehülzer Musikverein seine neue Komposition „Mein Gehülz – Aus Liebe zur Heimat“ (Walzer-Polka) zur Verfügung, die die „Bergmusikanten“ 2003 beim Festabend zum 50-jährigen Gründungsjubiläum der Vereinigten Nachbarn Breitenloh uraufführten.
MISTLACHENFASS UND ZEPPELIN. Es war im Jahr 1931. Der Seelacher Bauer mit dem Hausnamen Henkela (mundartlich genauer: Henggela) hatte sich ein neues Mistlachenfass gekauft, modern und nicht mehr aus Holz, sondern ganz aus Aluminium. Alle Bauern aus der Umgebung betrachteten sich die neue Errungenschaft, die glänzend auf dem Hof stand. Am 11. Oktober 1931, vormittags gegen 10 Uhr, überquerte das Verkehrsluftschiff „Graf Zeppelin“ auf einer Sonderfahrt den Haßlacherberg. Was dabei geschah, klingt in einer nacherzählenden Mundartfassung einer von Willi Schreiber überlieferten Episode so: >Wi dä Zäbbelin groad übe di neu Sejliche Schull gfluong is, dou hodd na dä Michl gsähn. Dää is de velleichd deschroggng. Dä is nein Weddshaus gerennd, ganz aufgerejchd, und hodd gschreid: „Schnell, ije Menne, gädd raus, en Henggela sei neus Miistlachnfouß fliechd aufadevoa.“< Dazu empfiehlt sich auch ein Blick in die Heimatpflege-Vereins-Schriftenreihe Band II/1991 S. 460, wo ein Foto das Luftschiff am 11. Oktober 1931 über Seelach zeigt. – Es gibt aber auch einen Hinweis darauf, dass sich die „Zeppelin-Mistlachenfass-Verwechslungsgeschichte“ nicht auf den Seelacher Henggela bezogen haben soll, sondern auf ein den gleichen Hausnamen tragendes, bäuerliches Anwesen in Kestel. – Die damalige Zeppelin-Fahrt führte von Friedrichshafen nach Meiningen. An Bord war auch der mit dem Kommandanten Ernst Lehmann bekannte Architekt Gustav Schmidt aus Steinach, dessen Heimatstädtchen deshalb – abweichend vom vorgesehenen Kurs – angesteuert wurde (vgl. „Freies Wort“ Sonneberg vom 11. 10. 2001 und 2006).
NEBENSÄCHLICHKEITEN WIE DAS KINDERKRIEGEN. Von einer Geburt in Gehülz-Entmannsdorf (Enslsdoaff) handelt die folgende Anekdote: >In Enslsdoaff hodd a Fraa oam 14. Novembe 1924 a Kind grichd. Ve däre Geburd wiss me weide neggs. Blousne, dässa bei di Gemaa öäschd ungfäh zeja Wochn schbejde oagemeld woan is. Wi des di Aufsichdsbehördn midgrichd hodd, wolld sa wiss, woarum dou öäschd su a langa Zeid veschdrichn is. Di Ghülse Gemaa hodd geandwodd, dä Voarre ve denn Kindla hejd gsochd, ve södda Nejmsächlichkeidn hejde ehra ka Zeid koadd. Noja, und denn neua Ärdnbörche wädds aa egoal gewejsn senn...< – Mit dem Kinderkriegen befasste sich die Gehülzer Mundartakteurin Helga Biesenecker (ab 2004 Vereinsausschussmitglied beim Heimatpflege-Verein) in einer Büttenrede 1990. Die betreffende Redepassage ist in der Heimatpflege-Vereins-Schriftenreihe Band II/1991 S. 326 nachzulesen, wobei für die nachfolgenden Auszüge die Mundartschreibweise nachbearbeitet wurde: „Heidzedouch wän di Kinne – und des is vill wääd – im Underichd zegoa aufgeglääd. Aufgeglääd senn mije aa schö woan – und des is ka Schbass – beim Fräulein Einwoach in di öäschde Glass.“ Helga Biesenecker schilderte den „Sexualkundeunterricht anno 1950“, als die Lehrerin mit den ABC-Schützen zum Kreuzbergbrunnen wanderte, aus dem nach damaliger „Lehre“ der Storch die kleinen Kinder holte. Wichtig war auch, dass man täglich Salz oder Zucker auf das Fensterbrett streuen musste, wenn der Storch ein Brüder- oder ein Schwesterlein bringen sollte. Dazu Helga Biesenecker: „Des wemme heid di Kinne sochd, di könnes nümme glaab: Mid zwölf hou ich nuch Zugge aufn Fensdebrejd gschdraad.“