Wo sich Fuchs und Hase als Krippenfiguren begegnen
Fuchs und Hase erweiterten im Jahr 2000 den Figurenbestand der Heunischenburg-Heimatkrippe in der Gehülzer St.-Michael-Kirche. Stehen beide Figuren (Foto links von 2010) nur als „Füllkörper“ in der Krippenkulisse herum, oder können sie auch symbolhaft für gewisse Aspekte der Krippenbotschaft stehen?
Überall und immer
Beim Anblick der beiden Tiere kommt so manchem die Redewendung „wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen“ in den Sinn. Laut Idiomatik-Duden wird damit ein „abgelegener, einsamer Ort“ scherzhaft umschrieben. Nach heutigen Erreichbarkeitskriterien sind die Bürg und der Wolfsberg mitsamt der als Krippenkulisse nachgebauten Heunischenburg schon ein bisschen „abgelegen“. Doch weil Bethlehem „überall und immer“ ist, verwirklicht sich auch am entlegensten Ort und in der einsamsten Stunde für jeden Gläubigen die christliche Weihnachtsbotschaft von der Menschwerdung Gottes in Jesus Christus, die in die Worte gefasst ist: „Euch ist heute der Heiland geboren.“
Menschliches und Göttliches
Wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen – das muss schon ein fabelhafter Ort sein, denn gemeinhin pflegen sich Raubtier und Beute nicht mit Höflichkeiten aufzuhalten. Und kluge Zeitgenossen denken bei Fuchs und Hase vielleicht in erster Linie an die Wechselbeziehungen zwischen Fressfeind und Nahrungsangebot und somit an das biologische Gleichgewicht bzw. Ungleichgewicht in der Fauna. Wer sich aber auf die Weisheit der Krippe einlässt, erreicht möglicherweise noch andere Erkenntnisebenen. So wie sich in Tierfabeln Tierisches und Menschliches auf wundersame Weise vermengen, so vereinen sich im Weihnachtsevangelium Menschliches und Göttliches einzigartig miteinander.
Hoffnungen und Enttäuschungen
Dass der Mensch den Tieren menschliche Eigenschaften zugeschrieben hat, ist in der Literatur mannigfach belegt. So wurde der Fuchs überwiegend als listig, der Hase meist als ängstlich angesehen. Neben der Furchtsamkeit prägten auch die Wachsamkeit, die Schnelligkeit und die große Fruchtbarkeit den Symbolwert des Hasen, während sich der Fuchs auch als schlau, ebenso aber als falsch und teuflisch charakterisieren lassen musste. So wie diese und all die anderen Tiere ihren Platz in der Weihnachtskrippe haben, so sind auch alle Menschen mit ihren jeweiligen Eigenschaften und Eigenheiten, mit ihren Stärken und Schwächen, Freuden und Nöten, Hoffnungen und Enttäuschungen eingeladen, dem Ruf zu folgen: „Zur Krippe her kommet!“
Menschwerdung und Auferstehung
Was fällt uns zu den Krippenfiguren Hase und Fuchs sonst noch ein? Welche Rolle beide Tiere in der Kultur- und Kunstgeschichte – insbesondere in der christlichen – über das bereits Gesagte hinaus spielen, kann hier nur kurz angedeutet werden. Mittelalterliche Darstellungen des Hasen konnten auf den Lauf eines Menschen in sein Verderben oder auf sein Streben zum ewigen Heil anspielen. Auf einem um 1497 von Albrecht Dürer geschaffenen Holzschnitt ist die Heilige Familie mit drei Hasen zu sehen, die als Hinweis auf die Dreifaltigkeit Gottes interpretiert werden können. Dass nicht nur der Künstler Joseph Beuys im Hasen das Symbol der Menschwerdung einer Gottheit sah, passt besonders in den weihnachtlichen Sinnzusammenhang. Bereits aus der Antike kommt die Deutung des Hasen als Sinnbild von Lebenskraft und Auferstehung. Dieses Stichwort leitet aus christlichem Blickwinkel über zu Ostern, in dessen Brauchtum der Hase zum populären Eierbringer geworden ist.
Fuchs, Hase und Taube
In manchen Gegenden Deutschlands nahm der Osterfuchs die Stelle des Osterhasen ein. Mancherorts wurden beide österlichen Brauchfiguren gemeinsam verehrt, was an eine Jenseitsvision vom friedlichen Beieinanderleben von Raubtieren und anderen Tieren erinnern mag. Neben dem Osterfuchs kennt die Volkskunde auch den Pfingstfuchs, dem der Brauch zugrunde liegt, dass man mit einem Fuchs umherzog und Eier oder andere Gaben sammelte. Apropos Pfingsten: Da denkt man doch spontan an den Heiligen Geist, der gewöhnlich in Gestalt einer Taube dargestellt wird. Und da 2000 – gemeinsam mit dem Fuchs und dem Hasen – auch eine Taube Aufnahme in den Figurenbestand der Gehülzer Heunischenburg-Heimatkrippe fand, schließt sich hier wieder der Kreis unserer Betrachtung. -bg.-