Zur Bedeutung des Befestigungsnamens „Heunischen-“
Örtlichkeiten, die das Volk mit den unbekannten vorgeschichtlichen Bewohnern des Landes irgendwie in Verbindung brachte, wurden schon im Mittelalter mit Heiden-, Hunnen-, Hünen- oder Heunen- bezeichnet. Manchmal traten an die Stelle der Heiden anscheinend die Juden oder die Zigeuner. Hinter Namen wie Juden- oder Heiden- stand die Vorstellung von Menschen, die dem eigenen Wesen der Bevölkerung fremd waren.
Der Volksname Heunen diente „zur Bezeichnung der sagenhaften Urbevölkerung des Landes, die man sich als Riesen vorstellte, weil man sich die Erbauung großer prähistorischer Anlagen nicht besser als durch die Tätigkeit von Riesen zu erklären vermochte“ (Zitat: Joseph Schnetz, Flurnamenkunde, München 1997). Zuerst im 13. Jahrhundert erscheint mittelhochdeutsch Hiune (niederdeutsch Hüne, oberdeutsch Heune) im Sinne von Riese.
Für Dieter Heins, der in den Coburger Monatsblättern (Januar 1954) einen der ersten wichtigen Beiträge zur Heunischenburg-Literatur lieferte, waren allerdings der Name Heunischenburg und das ihm zugrunde liegende Wort Heunen nicht mit riesenhaften Erbauern der Wehranlage in Verbindung zu bringen. Für ihn war unter Heunen und Hünen „nur etwas aus grauer, sagenhafter Vorzeit Herrührendes“ zu verstehen.
Bei den mit Hunnen-, Hünen- oder Heunen- gebildeten Flurnamen ist weder an Reste des asiatischen Reitervolkes der Völkerwanderungszeit noch an die ebenfalls Hunnen genannten Ungarn des Mittelalters zu denken. Beide Völker, die ja bei uns nicht einmal vorübergehend ansässig waren, haben in Orts- und Flurnamen sicher keine Spuren hinterlassen (so auch: Joachim Schmidt, Flurnamen in Oberfranken, Heimatbeilage zum Oberfränkischen Schulanzeiger Nr. 162, Bayreuth 1990).
Unter „Menschen und Völker der Vorzeit“ stellte Walther Keinath (Orts- und Flurnamen in Württemberg, Stuttgart 1951) fest, dass sich das Wort Heune „in besonderer Häufigkeit findet“. „Wuchtige Anlagen sind die Heune(n)burgen bei Hundersingen und Upflamör und die stark befestigte Heunenburg bei Fridingen“, schrieb Keinath.
In der Heimatpflege-Vereins-Schriftenreihe (Band II/1991 S. 39) erklärte der Leipziger Genealoge Hans Heunisch, dass sich die Nachsilbe -isch ab 1100 gebildet hatte. Von da an „können sich die Namen Heune und Hüne zu Heunisch [im Sinne von: zu Riesen gehörig, von Riesen abstammend] erweitert haben“. Die älteste bekannte Erwähnung des Namens Heunischenburg fand sich in einer Urkunde aus dem Jahr 1477. Damals verkaufte Hans von Schaumberg seinen Teil am Gericht Mitwitz an Oswald von Rosenau. Zu der Besitzmasse gehörte auch das „Gehölz an der Heunischenburg“.
Der Volksmund prägte für den Heunischenburg-Wall die Bezeichnung Wola. Jedenfalls war dieser Mundartbegriff der Gehülzer Bevölkerung noch Mitte des 20. Jahrhunderts weitgehend vertraut. Angesichts der doch noch beträchtlichen Ausmaße des Walls klingt Wola eher verniedlichend und zudem vertrauenerweckend und vereinnahmend. Eine Vorstellung von riesenhaften Erbauern oder eine respektvolle Distanz zum Objekt ist aus der Bezeichnung Wola sicher nicht herauszuhören. Was die Einheimischen in der Neueren Geschichte mit der Heunischenburg verbanden, war wohl geprägt durch Erzählungen wie die „Sagen von der Bürg“, die Georg Hertel in den 1930-er Jahren erstmals publizierte. Hier galt die Heunischenburg, weil man es noch nicht besser wusste, als einstige Fliehburg, die den „bedrängten Menschen“ der näheren Umgebung „Schutz und Obdach in Kriegszeiten“ geboten hatte.
Zum Wort Heunisch darf im übrigen noch erwähnt werden, dass es auch eine bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts in Mitteleuropa weit verbreitete und wichtige Weinrebsorte bezeichnet, die als Elternteil vieler heutiger Qualitätsrebsorten erscheint. Die Sorte bringt große Beeren mit dicker Schale hervor und existiert in einer weißen und einer roten Variante. Bei der Wortbedeutung des Rebnamens Heunisch wird in der Literatur ein Bezug zum Volk der Ungarn und ihrem Siedlungsgebiet in der pannonischen Ebene hergestellt.
Abschließend sei noch einmal an den eingangs dargestellten Zusammenhang zwischen Heunen-, Heiden- und Juden- erinnert, der aus lokaler Betrachtung eine interessante Erkenntnis liefert: Wenn man die Heunischenburg mit dem Judengraben zu ihren Füßen und dem Heidelberg weiter südwestlich in Verbindung setzt, dann sind das gleich drei Stätten in dieser Gegend, bei deren Namensdeutung ein Rückschluss der mittelalterlichen Bevölkerung auf unbekannte vorgeschichtliche Bewohner eine Rolle spielt bzw. spielen kann. Jedenfalls gibt es bisher (2010) kein sicheres Indiz für eine andere Erklärung des Namens Judengraben (wobei zuletzt allenfalls die alternative Annahme eines Juden-
[Viehhandels-]Wegs etwas Auftrieb bekam); und die flurnamenkundlich in Erwägung zu ziehende Ableitung des Namens Heidelberg von Heidenberg wurde bisher auch nicht zugunsten einer anderen Erklärung (Heidelbeere/Heidekraut?) ausgeschlossen (vgl. auch: Bernd Graf, Von der Heunischenburg zum Heidelberg, in: 25 Jahre Verein Naturpark Frankenwald e. V., Kronach 1998). -bg.-