Rund um den Mittel- und Unterlauf des Seelabachs
Denkmaltags-Tour bietet „Heimatkunde zum Anfassen"
Dreifaltigkeits-Marter, Hinrichtungs-Eiche und anderes
„Unscheinbare Geschichtszeugen und ihre unvergesslichen Geschichten“. So lautete das Thema der interessanten „Nordic-Walking-plus“-Denkmaltags-Tour am Sonntag, 14. September 2014, mit der der Heimatpflege-Verein (HpfV) Gehülz/Seelach/Ziegelerden und die TVE-Nordic-Walking-Abteilung Gehülz das Tagesprogramm der Kreisheimatpflege Kronach bereicherten. Trotz nicht gerade freundlichem Wetter war eine stattliche Teilnehmerzahl (47 Personen) zu verzeichnen. Unter der Leitung des HpfV-Vorsitzenden Bernd Graf und der TVE-Oberturnwartin Susanne Weber führte die kurzweilige Rundtour für Wanderer und Nordic Walker über Straßen und kurzzeitig auch über Waldwege in den Bereichen Seelabach, Tannenstraße und Breitenloher Berg (Gemarkungen Seelach, Gehülz und Kronach). Aufschlussreiches rund um den Seelabach gehörte ebenso dazu wie eine Sandsteinmarter mit einer seltenen Dreifaltigkeitsdarstellung, die diese nachmittägliche Runde zur achten „DreifaltigkeitsWALKfahrt“ erhob, oder wie eine Eiche, an der kurz vor Kriegsende 1945 ein deutscher Soldat aufgehängt worden war. Das Interesse an diesem Tag gelte im Landkreis Kronach nicht nur Baudenkmälern und ihrer Ausstattung, sondern auch Kulturlandschaftselementen, Zeugen der Geschichte und dem immateriellen Kulturerbe, führte Bernd Graf – auch in seiner Eigenschaft als Kreisheimatpflege-Leiter – aus, wobei er von „Heimatkunde zum Anfassen“ sprach.
Am Breitenloher Berg, nahe dem Ortsende Kronachs in Richtung Gehülz, erinnert eine Eiche als stummer Geschichtszeuge an die nationalsozialistische Gewalt- und Schreckensherrschaft. Ein 2013 angebrachtes Kruzifix unterstreicht die Gedenkfunktion des ansonsten eher unscheinbaren Baumes. An dieser Eiche ließ das fliegende Standgericht Helm, das kurz vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs eine Blutspur durch das untergehende Dritte Reich zog, den Obergefreiten Herbert Susel am 8. April 1945 aufhängen. Der unweit der Eiche – in Seelabach 15A – wohnende Kronacher Metzgereiinhaber Rudolf Höring, der seinerzeit als Erstkommunionkind das am Baum hängende Willküropfer mit eigenen Augen sah, konnte den grausamen Anblick seither nicht vergessen. Er war es, der das Kreuz mit Christuskorpus am Stamm der Eiche anbrachte.
Veröffentlichungshinweis: Graf, Bernd. Eine Hinrichtung am Breitenloher Berg in Kronach. Kurz vor Kriegsende 1945 wurde der Obergefreite Herbert Susel durch das fliegende Standgericht des brutalen Wehrmachtsoffiziers Erwin Helm zum Tode verurteilt und am Ortsende Kronachs Richtung Gehülz an einer Eiche aufgehängt = Veröffentlichung der Kreisheimatpflege Kronach (VKK) vom 15. September 2014 anlässlich des Denkmaltags 2014. – Dazu auch: Fränkischer Tag Kronach und Neue Presse Kronach vom 11. September 2014
Die „Hinrichtungseiche“ am Breitenloher Berg in Kronach war eine besonders bedrückende Station der Denkmaltags-Tour. Auf die Informationen über die Gräueltaten an deutschen Soldaten und Zivilisten, die der Terror- und Willkürjustiz der deutschen Wehrmacht und vor allem dem Standrichter Helm zuzuschreiben waren, reagierten viele Teilnehmer mit Betroffenheit. Im Zusammenhang mit den lokalen Ereignissen gegen Kriegsende 1945 wurde auch darauf hingewiesen, dass an der Stelle der ehemaligen Soldatengräber am Waldrand bei Dennach von einem Seelacher Einwohner jüngst ein Erinnerungsmal errichtet worden sei. Dort waren zwei deutsche Soldaten bestattet, die am 12. oder 13. April 1945 durch Granatsplitter aus US-Panzern getötet worden waren.
Die vor dem ältesten Anwesen des ehemaligen Gehülzer Gemeindeteils Seelabach – seit 1981 Tannenstraße 31 – stehende Dreifaltigkeits-Marter, ihre Geschichte und ihre Besonderheiten werden im hiesigen Webauftritt bei den Gehülzer Denkmälern und bei den Gehülzer Trinitätsdarstellungen näher vorgestellt. Beim Trinitätsdarstellungs-Typus, den die Bildnische dieser Marter zeigt, spricht man von Gnadenstuhl. Dabei halten die beiden Hände von Gott Vater das Kreuz mit Jesus Christus daran. Der Gnadenstuhl gilt als Bild der Dreifaltigkeit, der Erlösung und der Einladung an den Tisch des Herrn. Eine theologische Aussage des Gnadenstuhls lautet: Es ist nur möglich, direkt vor den Thron Gottes zu gelangen, wenn man den Zugang über seinen Sohn wählt. Untypisch für das Gnadenstuhl-Motiv ist, dass im Fall der Tannenstraßen-Marter der Heilige Geist durch Feuerzungen (Flammen) symbolisiert wird. Bei klassischen Gnadenstuhl-Darstellungen präsentiert Gott Vater als gekrönter alter Mann auf dem himmlischen Thron seinen für die Menschen gestorbenen Sohn, wobei der Heilige Geist in Gestalt einer Taube die Trinität ergänzt.
Am Standort der Marter in der Gehülzer Tannenstraße erläuterte Bernd Graf unter anderem auch zwei auf den ersten Blick kurios anmutende Vorgänge: wie der Siedlungsname Seelabach das gleichnamige Fließgewässer „überquerte“ und wie die Mundartfassung dieses Ortsnamens zu einem Hausnamen („Sällabouche“) in Kestel wurde. Apropos „überqueren“: Um zu dieser Station der Denkmaltags-Tour zu gelangen, mussten die Wanderer und Nordic Walker zuvor ebenfalls den Seelabach überqueren – allerdings in umgekehrter Richtung (von der Gemarkung Seelach in die Gemarkung Gehülz). Im Bildhintergrund sind einige Anwesen der vorher durchwanderten Straße Seelabach im Seelacher Grund zu sehen. In diesem Zusammenhang erfuhren die Teilnehmer auch vom unerfüllten Wunsch der ehemaligen Seelacher Gemeindeväter nach einer Ringstraße, die den Kernort Seelach, den Seelacher Berg und den Seelacher Grund miteinander verbinden sollte. Vom Grund direkt hinauf in den Kernort (bzw. umgekehrt) ist es bei einem (für Wanderer und Nordic Walker reizvollen) Waldweg geblieben.
Gruppenbild mit Marter: Zu diesem Erinnerungsfoto stellten sich die Teilnehmer der Denkmaltags-Tour beiderseits des Flurdenkmals auf. Die Bilder auf hiesiger Webseite hat Reinhard Weber aufgenommen. Lediglich das oberste ist von Bernd Graf. Dieser wusste beim Anwesen Tannenstraße 31 auch zu berichten, dass vom Familiennamen der für 1561 nachgewiesenen Bewohnerin Elisabeth Topferin wohl die ehemalige Siedlungsbezeichnung „Wustung Töpfergraben“ bzw. „Töpferswustung“ herrühre. Die Kronacher Tageszeitungen berichteten über diese Veranstaltung am 16. September (Fränkischer Tag) und am 17. September 2014 (Neue Presse).
Ebenfalls im Bereich der Tannenstraße wurde ein Jagdgrenzstein von 1604 aufgesucht (vgl. im hiesigen Webauftritt bei den Seelacher Denkmälern), der zusammen mit weiteren Artgenossen am östlichen Haßlacherberg eine Hoch- und Niederwildgrenze zwischen dem Hochstift Bamberg und der Herrschaft von Redwitz zu Theisenort markiert hatte. Die tiefe Schleifmulde an dem Stein verdeutlichte, dass er als Ruhstein zweckentfremdet worden war. Bewohner von Unterbreitenloh, die Wasser aus dem Seelabach holten, hatten nämlich über eine lange Zeit ihre gefüllten Wasserbutten auf dem Grenzstein abgestellt.